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Bundesarbeitsgericht: Klarstellung des Arbeitnehmerbegriffs im Urlaubsrecht – Fremdgeschäftsführer einer GmbH

Fachbeitrag im Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht: Klarstellung des Arbeitnehmerbegriffs im Urlaubsrecht – Fremdgeschäftsführer einer GmbH

Der Rechtsstreit zwischen den Parteien dreht sich um die Frage der Urlaubsabgeltung für die Jahre 2019 und 2020.
Die Klägerin begann ihre Beschäftigung im Jahr 1993 zunächst als Angestellte bei einer GmbH, die zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörte. Ab dem Jahr 2012 wurde sie dann als „Geschäftsführerin“ bei der Beklagten angestellt. Gemäß ihrem Dienstvertrag, der nach sechs Jahren Betriebszugehörigkeit einen Jahresurlaubsanspruch von 33 Tagen vorsah, war sie verpflichtet, ihren Urlaub bei der Beklagten zu beantragen. In den Jahren 2019 und 2020 nahm die Klägerin jedoch nur einen Teil ihres Urlaubs in Anspruch.
Während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin wurde sie von der Beklagten für entgeltliche Dienstleistungs- und Beratungstätigkeiten eingesetzt, die einer anderen GmbH innerhalb der Unternehmensgruppe zugute kamen. Dabei unterlag sie detaillierten Anweisungen bezüglich ihrer Arbeitszeit und der zu erfüllenden Arbeitsaufgaben. Dazu gehörten Telefonakquise, Kundenbesuche, Kontroll- und Überwachungsaufgaben sowie die Durchführung von Vorstellungsgesprächen und Einstellungsverhandlungen.
Im September 2019 trat die Klägerin von ihrem Amt als Geschäftsführerin zurück und kündigte anschließend ihr Vertragsverhältnis zum 30. Juni 2020. Während dieser Zeit war sie aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig und erbrachte keine Arbeitsleistung mehr.
Das Arbeitsgericht Minden entschied zugunsten der Klägerin und verurteilte die Beklagte dazu, den nicht genommenen Urlaub abzugelten (Urteil vom 13. November 2020 – 2 Ca 705/20). Die Beklagte legte Berufung ein, jedoch bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamm die Entscheidung des Arbeitsgerichts (Urteil vom 24. Juni 2021 – 5 Sa 1494/20).

Entscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied zugunsten der Klägerin und sprach ihr den geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu.
Gemäß § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Dieser Anspruch erstreckt sich gemäß § 2 BUrlG auf Arbeiter, Angestellte sowie Personen in Berufsausbildung. Unter bestimmten Bedingungen können auch arbeitnehmerähnliche Personen diesen Anspruch geltend machen. Wird der Urlaub aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vollständig genommen, sieht § 7 Absatz 4 BUrlG vor, dass er abzugelten ist.
Das BAG argumentierte, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung einer Fremdgeschäftsführerin einer GmbH sich ebenfalls aus § 7 Absatz 4 BUrlG ergibt, wenn der Urlaub aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden kann. Dies gelte unabhängig davon, ob der Geschäftsführer nach nationalem Recht als Arbeitnehmer betrachtet wird, da für das BUrlG ausschließlich der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgeblich ist.
Diese Interpretation erfolgt vor dem Hintergrund der Umsetzung der Vorgaben von Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG durch das BUrlG. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind nationale Gerichte verpflichtet, nationales Recht im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Der Begriff „Arbeitnehmer“ im Sinne des Unionsrechts umfasst demnach Personen, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausüben und eine Vergütung für ihre Leistungen erhalten, unabhängig von ihrem Grad der Abhängigkeit oder Unterordnung.
Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin gemäß dem BAG weisungsgebunden tätig, da sie klare Vorgaben zur Arbeitszeit und zu den zu erfüllenden Aufgaben hatte. Zudem entsprachen ihre Aufgaben typischen Angestelltentätigkeiten, und es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass sie als Mehrheitsgesellschafterin agierte.
Die Niederlegung ihres Geschäftsführeramtes hatte keinen Einfluss auf ihren Urlaubsanspruch, da dieser nicht von der tatsächlichen Erbringung von Arbeitsleistungen abhängt, sondern von den regelmäßigen Tagen mit Arbeitspflicht. Selbst nach der Niederlegung ihres Amtes konnte die Klägerin die ihr übertragenen Aufgaben weiterhin ausführen.
Das BAG folgte somit der Entscheidung des Arbeitsgerichts Minden und bestätigte die Verurteilung der Beklagten zur Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs der Klägerin.

Tipp für die Praxis

Eine konsequente Anwendung der zuvor erläuterten Rechtsprechung würde bedeuten, dass die Hinweispflichten des Arbeitgebers bezüglich des Verfalls von Urlaubsansprüchen, wie sie durch die Entscheidungen des BAG konkretisiert wurden, auch auf Geschäftsführer anwendbar wären. In diesem Zusammenhang müsste der Geschäftsführer ebenfalls über seine ausstehenden Urlaubstage informiert werden und über den drohenden Verfall dieser. Es empfiehlt sich daher, dies bei der Ausgestaltung von Dienstverträgen mit Geschäftsführern sowie bei der praktischen Umsetzung zu berücksichtigen.

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