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Altersdiskriminierung bei der Suche nach einem „Digital Native“ in einer Stellenanzeige

Fachbeitrag im Arbeitsrecht

ArbG Heilbronn: Altersdiskriminierung bei der Suche nach einem „Digital Native“ in einer Stellenanzeige

Die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ in einer Stellenanzeige, in der es heißt, dass man sich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und aller gängigen Programme für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause fühlen sollte, deutet auf eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters hin. [Amtlicher Leitsatz]
ArbG Heilbronn, Urteil vom 18. Januar 2024 – 8 Ca 191/23

I. Der Fall

Es geht um eine Entschädigungsklage wegen Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit einem Bewerbungsverfahren. Der Kläger, der 1972 geboren wurde, bewarb sich auf die Position als Manager Corporate Communication (m/w/d) Unternehmensstrategie, die von der Beklagten, einem international agierenden Handelsunternehmen, ausgeschrieben wurde. Die Stellenanzeige enthielt unter anderem die Passage: „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“ Die Beklagte lehnte die Bewerbung des Klägers in einer E-Mail vom 26. April 2023 ab. Nachdem die Beklagte seinen Entschädigungsanspruch in Höhe von 37.500 EUR mit Schreiben vom 9. Mai 2023 abgelehnt hatte, reichte der Kläger Klage beim ArbG Heilbronn ein. Er argumentierte, dass er als Wirtschaftsjurist mit Erfahrung in leitenden Positionen in Anwaltskanzleien für die Stelle qualifiziert sei und alle geforderten Anforderungen erfülle. Durch die Ablehnung habe er eine Altersdiskriminierung erfahren. Die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ weise darauf hin, dass die Beklagte einen Bewerber suche, der einer Generation angehöre, die von Kindesbeinen an mit digitaler Technologie vertraut sei. Personen, die ab 1980 geboren wurden, würden allgemein als digitale Eingeborene betrachtet. Dadurch habe die Beklagte direkt auf das Alter abgezielt und signalisiert, dass es ihr nicht nur um die Anstellung eines technisch versierten Bewerbers ging, der möglicherweise nach langjährigem intensivem Studium souverän mit digitalen Medien umgehen könne (sogenannter „Digital Immigrant“). Dies legt die Vermutung nahe, dass die Benachteiligung des Klägers aufgrund seines Alters erfolgte. Die Beklagte schulde dem Kläger daher eine Entschädigung in Höhe von fünf Monatsgehältern à 7.500 EUR. Die Beklagte argumentierte, dass die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ kein Hinweis darauf sei, dass ein Bewerber eines bestimmten Alters gesucht werde. Sie suchte nicht explizit nach einem „Digital Native“, sondern nach jemandem, der über die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen in den genannten Bereichen verfügt. Der Kläger sei als Wirtschaftsjurist überqualifiziert und habe auch keinen Sportbezug, weshalb seine Bewerbung abgelehnt wurde. Der eingestellte Bewerber erhalte ein Jahresbruttogehalt von 58.020 EUR.

II. Die Entscheidung

Das ArbG Heilbronn gab der Klage teilweise statt und wies sie im Übrigen ab, wobei dem Kläger eine Entschädigung von 7.500 EUR zugesprochen wurde. Nach § 15 Abs. 2 AGG steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch zu, wobei ein Betrag von 1,5 Bruttomonatsgehältern angemessen sei. Gemäß § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. Ein Verstoß gegen § 11 AGG kann die Vermutung begründen, dass der erfolglose Bewerber im Auswahlverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde. Die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ in der Stellenanzeige der Beklagten deutet auf eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters hin. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezieht sich der Begriff auf eine Person, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und darin erfahren ist. Er hat eine generationenbezogene Konnotation. Hätte die Beklagte Bewerber aller Altersgruppen ansprechen wollen, hätte sie den Begriff „Digital Native“ nicht verwenden sollen.

Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass die Ablehnung der Bewerbung des Klägers nicht aufgrund seines Alters erfolgt sei. Sie hätte den „Vollbeweis“ eines diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens erbringen müssen. Dafür wäre der Nachweis erforderlich gewesen, dass die Beklagte alle Bewerbungen nach einem Verfahren behandelt hat, das eine Benachteiligung aufgrund eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt, und dass dieses Verfahren konsequent angewendet wurde. Die Beklagte konnte jedoch weder nachweisen, dass sie bei der Sichtung der Bewerbungen einem formalen Verfahren gefolgt war, noch konnte sie substantiiert darlegen, nach welchen Kriterien ausschließlich ausgewählt wurde. Die dem Kläger zugesprochene Entschädigung in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern wurde als angemessen erachtet, da in der Stellenanzeige der Beklagten der Hinweis auf die Altersdiskriminierung nur einmalig und nicht prominent als Überschrift, sondern im Fließtext enthalten war.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung des ArbG Heilbronn betont erneut die Notwendigkeit, Stellenanzeigen sorgfältig zu formulieren und darauf zu achten, dass keine Anzeichen für eine mögliche Benachteiligung nach § 1 AGG enthalten sind. Es ist wichtig, sowohl konkrete Altersangaben (jung/alt) als auch generationsbezogene Begriffe (z.B. Generation Y, Millennials oder Digital Native) zu vermeiden. Stattdessen sollten ausschließlich die erforderlichen Qualifikationen und Fähigkeiten für die ausgeschriebene Position genannt werden.

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